In „Provenzalischer Rosenkrieg“ spielt die Rose de Mai eine tragende Rolle. Sie gehört zur Gattung der ursprünglich aus Persien stammenden Centifolia, der „Hundertblättrigen“. Hier, im fruchtbaren Korridor zwischen Voralpen und Mittelmeer, erhält sie ihren betörend-eleganten Duft, der von Parfümeuren weltweit geschätzt wird.

Die Blüten werden noch per Hand geerntet. In nahezu meditativer Konzentration suchen die Pflückerinnen und Pflücker die Rosenbüsche nach reifen Blüten ab und knipsen sie mit einer sanften Handbewegung vom Stängel. An manchen Tagen kommen auf diese Weise um die hundert Kilogramm zusammen, die zur sofortigen Weiterverarbeitung an die umliegenden Fabriken geliefert werden. Rund 700 Kilogramm Blüten ergeben einen Liter des Rosenöls, das zu den kostbarsten Dufstoffen zählt.

Die Exklusivität hat ihren Preis – die Rose aus Grasse wird vorwiegend für Parfüms des gehobenen Segments verwendet. Der Massenmarkt greift längst zu der günstigeren Konkurrenz aus Bulgarien oder Marokko, ein Großteil der Rosendüfte ist inzwischen synthetisch. Der Handel mit den kostbaren Blumenölen aus Grasse macht inzwischen nur noch einen verschwindend kleinen Anteil am weltweiten Umsatz mit Parfümgrundstoffen aus. Ohne die Unterstützung der Luxuskonzerne hätten die hiesigen Blumenbauern kaum noch eine Chance, zu überleben.

Große Häuser wie Chanel oder Dior schließen Exklusivverträge mit Plantagenbesitzern, um eine gleichbleibende Qualität zu sichern. Einer von ihnen ist Joseph Mul. Er besitzt rund um Pégomas mehr als zwanzig Hektar Fläche für Mairose, Jasmin, Tuberose, Rosengeranie und Iris, davon sieben Hektar alleine für die Rose. Damit ist er ist er der größte Plantagenbesitzer dieser Gegend; seine Ernte macht die Hälfte der Gesamterträge rund um Grasse aus.

Im Netz sind herrlich atmosphärische Bilder seiner Rosen zu sehen. Veröffentlicht von Kosmetik- und Fashionbloggerinnen, die 2016 von Chanel zu einem exklusiven Event auf diese Plantage geladen worden waren. Eine absolute Ausnahme. Joseph Mul bietet keine Besichtigungen an, die Lage der Felder ist geheim. Also suchte ich mir für die Recherche eines der kleineren Unternehmen heraus, die Plantagenführungen anbieten.

Dumm nur, dass es in der Provence seit Wochen fast durchgängig geregnet hat. Und dass die Besitzerin noch gar nicht mit der Ernte begonnen hatte und die Pforten zur Plantage fest verschlossen hielt. Auch eine weitere Rosenbäuerin winkte ab und bot mir einen Termin Tage später, bei dem ich längst wieder auf dem Weg gen Heimat war.

Also musste ich rasch umdenken und machte mich auf die Suche nach Alternativen. Was gar nicht so einfach war. Es gibt kaum noch Rosenplantagen in der Region. Und diese sind nicht nur für Besucher geschlossen, sie liegen auch sehr versteckt. Verborgen im Hinterland kleiner, vom Tourismus verschonter Orte, abseits der berühmten Parfümstadt.

Wo früher weitläufige Blumenfelder die sanften Hügel und Täler unterhalb von Grasse bedeckten, bestimmt nun eine dichte Bebauung das Bild. Die nahe Côte d’ Azur ist beliebter Anziehungspunkt, der enorm hohe Preis für Bauland lässt so manchen Grundbesitzer schwach werden. Während es im Luberon einen strengen Naturschutz gibt, liegt die Zukunft der Kulturlandschaft hier in der Hand engagierter Bürger, die sich für deren Erhalt einsetzen. Für die Politik hingegen steht der Tourismus an allererster Stelle, und so wird auch schonmal eine Bahntrasse quer über Joseph Muls Felder geplant. Was – Dank Engagement von Chanel – in letzter Minute verhindert werden konnte.

Am Ende kam ich doch in den Genuss einer Besichtigung – zumindest von der Straße aus. Ja, auch die geheimen Felder von Joseph Mul lassen sich finden, wenn man in Pégomas die Anwohner fragt. 😉

Weitere Informationen zum Thema erhielt ich in den Gärten des Musée international de la Parfumerie in Mouans-Sartoux. Hier sind nicht nur sämtliche Pflanzen angebaut, die zur Parfümherstellung verwendet werden, man bekommt auch ausführlich Hintergrundinformationen zu den Rosensorten der Pays de Grasse.

Plant Ihr eine Reise nach Grasse? Dann fahrt besser Mitte bis Ende Mai, wenn die Rosenernte schon weiter fortgeschritten ist. Folgende Züchter bieten eine Führung durch die Felder oder einen Kurs im Blütenpflücken an:

Und was ist aus all den Fabriken geworden, den großen Parfümherstellern? Den Unternehmen, die den Ruf von Grasse als Welthauptstadt des Parfüms begründeten? Darüber berichte ich in einem zweiten Teil.