Am Anfang stand ein Schild

Ich war gerade in der Provence, um mich in den Seifenfabriken und Lavendeldestillerien über die Hintergründe zur Herstellung der berühmten Savon de Marseille zu informieren, die Schwerpunkt des dritten Bandes „Provenzalische Intrige“ ist. Dabei wohnte ich in der Nähe von Saint-Rémy-de-Provence, einer pittoresken Kleinstadt am Fuß der Alpillen. Während meiner Spaziergänge durch den Ort fiel mir ein gelbrotes Schild auf, auf dem der okzitanische Straßenname abgebildet war. Da ich immer auf der Suche nach geeigneten Motiven für meine Lesungen bin, machte ich ein Foto und vergaß es dann wieder. Erst bei der Sichtung des Bildmaterials fiel es mir erneut ins Auge. Ich wusste, wie schwer es die Minderheitensprachen in Frankreich haben, und wie hartnäckig sich die Kommunen gegen ein Vergessen sträuben. Seit der französischen Revolution im Jahr 1789 versucht der französische Staat, sämtliche Dialekte aus dem öffentlichen Leben zu vertreiben. Einzige Amtssprache ist das Französisch, als Zeichen der nationalen Einheit. Das Okzitanische (zu dem auch das Provenzalische gehört), Elsässische, Bretonische, Katalanische und Baskische drohten auszusterben. Bis sich Teile der Bevölkerung auflehnten und gegen die Unterdrückung zur Wehr setzten.

Die okzitanische Hymne „Se canta“

Ich erinnerte mich an ein Video, das ich vor zwei Jahren gesehen hatte und das inzwischen leider nicht mehr verfügbar ist. Es war die Aufzeichnung der okzitanischen Hymne, unterlegt mit verwackelten Bildern demonstrierender Menschen mit rotgelben Fahnen. Eingestellt von einem Mann, der für die okzitanische Unabhängigkeit kämpft. Einer Bewegung, die mit den Abspaltungsbestrebungen Kataloniens an Fahrt aufnimmt und längst auch die Provence erfasst hat. Auch kulturelle Veranstaltungen erleben seit einigen Jahren einen neuen Zulauf – von den traditionellen Feux de la Saint-Jean bis hin zu Festivals mit okzitanischen Rockbands. Und plötzlich wusste ich, wie ich den Plot gestalten wollte, die Idee zum Buch „Provenzalisches Feuer“ war geboren!

Was hat Okzitanien mit der Provence zu tun?

Okzitanien bezeichnet einen historischen Sprach- und Kulturraum im Süden Frankreichs. Er reicht von Katalonien über die Provence bis in das Piemont hinein und ist damit um ein Vielfaches größer als die gleichnamige, 2016 neu gebildete Verwaltungsregion. In der Provence entstand 1854 der erste Widerstand gegen die Unterdrückung der Sprachkultur. Der Literat und Nobelpreisträger Frédéric Mistral gründete gemeinsam mit sechs Kollegen die Félibrige. Ihr Ziel war es, die vielen okzitanischen Dialekte zu einer Literatursprache, dem Provençal, zu vereinen und zu neuer Bedeutung zu verhelfen. Diese Vereinigung gibt es noch heute. Gemeinsam mit dem Institut d’Estudis Occitans bildet sie die Basis der okzitanischen Sprachbewegung.

Was bleibt

Die Recherchen zu Pierre Durands vierten Fall haben mir neue Einblicke in die provenzalische Seele gebracht. Seither sehe ich den Begriff „Identität“ mit neuen Augen. Ich habe gelernt, dass es illusorisch ist, kulturelle und sprachliche Identitäten ignorieren zu wollen, da diese Teil des Selbstbewusstseins sind, in jeder Kultur dieser Welt.

Natürlich gibt es in diesem Band auch einige heitere Themen. Köchin Charlotte steht vor der Eröffnung ihrer Epicérie, Assistent Luc ergießt sich in Templergeschichten und die älteren Bewohner von Sainte-Valérie planen eine kleine Revolution. Und auch die herrliche Landschaft spielt wieder eine ganz besondere Rolle – Pierres Recherchen führen durch den Luberon bis zu den Alpillen.

Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern eine unterhaltsame Reise in das alte Okzitanien und viel Vergnügen mit Pierres viertem Fall!