Wer Châteauneuf-du-Pape besucht, dem fallen sofort die vielen Schilder der Weingüter ins Auge, die zur Dégustation laden. Der ganze Ort scheint Wein zu atmen. Im April findet das Les Printemps de Châteauneuf-du-Pape mit Weinproben, Workshops und einem kulinarischen Marktplatz statt. Und im August die traditionelle Fête de la Véraison mit ihrem mittelalterlichen Spektakel. Doch außerhalb dessen sind die Straßen nahezu menschenleer. Was offenbar an der einseitigen Ausrichtung liegt, die über den Weintourismus hinaus nur wenige Besucher anzieht. Eigentlich schade, denn Châteauneuf-du-Pape ist ein charmanter Ort. Mittelalterlich und doch gepflegt, ohne aufgeputzt zu wirken. Und – für Touristen erst auf dem zweiten Blick erkennbar – voller kulinarischer Highlights.

Das historische Restaurant La Mère Germaine

Und wer, der nicht von hier kommt, weiß schon, dass das historische Restaurant La Mère Germaine, dessen Gastraum ein dreizehn Meter langes Wandbild des Pariser Malers Hippolyte Romain ziert, nach aufwändiger Renovierung neu eröffnet wurde? Dass die Domaines Mousset über eine hervorragend sortierte épicerie fine verfügt, in der man regionale Produkte kaufen kann? Oder dass es vor den Toren der Stadt eine chocolaterie gibt, die Pralinen aus feinster Bioschokolade herstellt?
Aus: Provenzalischer Sturm

Auch der historische Hintergrund ist spannend. Die erste Erwähnung geht auf das Jahr 1094 zurück, als castrum novum, der neuen Festung des damaligen Bischofs von Avignon. Dieser Bischof legte hier auch den ersten Weingarten an. Wein war als Element der christlichen Liturgie wichtig und man trank ihn lieber als Wasser, das zu jener Zeit noch häufig mit Keimen verseucht war.

Der Anstoß zum Weinanbau im größeren Stil kam allerdings erst von Papst Clemens dem Fünften, der Avignon zum neuen Sitz der Päpste erkor und die alte Festung 1318 zur Sommerresidenz ausbauen ließ. Der Papst besaß nämlich, als er Erzbischof von Bordeaux war, ein Weingut, das noch heute existiert. Den eigentlichen Aufstieg erlebten die hiesigen Weine aber erst im neunzehnten Jahrhundert, als die Literaten rund um Frédéric Mistral eine Flasche Châteauneuf-du-Pape mit dem Etikett ihrer Vereinigung Félibrige versahen und ihn in Paris unter Künstlern verbreiteten.

Das im Jahr 1333 fertiggestellte päpstliche Schloss ist im Zuge der Religionskriege mehrfach in Brand gesetzt und nach der französischen Revolution als Quelle für Baumaterial missbraucht worden. Der bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gut erhaltene Wohnturm wurde von deutschen Besatzern als Ausguck benutzt und bei ihrem Abzug gesprengt. Übrig blieb eine Ruine – für mich die Hauptattraktion des beschaulichen Ortes. Von hier oben genießt man einen herrlichen Panoramablick über das weite Rhône-Tal.