Seit Anfang 2023 greifen etliche Gemeinden der Region Var hart durch. Für vier Jahre werden keine Bewilligung zum Bau neuer Häuser mehr ausgegeben. Grund hierfür ist die zunehmende Trockenheit, die Frankreichs Süden vor große Probleme stellt. Es werde immer schwerer, die Wasserversorgung während der Sommermonate sicherzustellen. Und es sei besser, keine neuen Anwohner zu bekommen, die Wasser verbrauchten, so die Worte eines Bürgermeisters.

Besonders betroffen von der Notlage ist Porquerolles, sie ist die größte der bei Touristen beliebten Îles d’Hyères. Der Bedarf kann nur noch in den Wintermonaten über das Grundwasser gedeckt werden, weshalb die Insel seit 2004 über ein Tankschiff versorgt wurde, das den Hafen bis zu zwei Mal täglich ansteuerte. Die Saint-Christoph ist Baujahr 1950 und zunehmend reparaturanfällig. Zudem ist der hohe Treibstoffverbrauch von mehr als 10.000 Litern jährlich alles andere als umweltfreundlich. Also entschloss man sich dazu, die Versorgung mit Hilfe einer Wasserpipeline sicherzustellen, die die Insel mit dem Festland verbindet.
Das Problem: Der Weg dieser Pipeline führt durch Seegraswiesen, die für den Klima- und Küstenschutz eine wichtige Rolle spielen. Dieses Gras ist wie ein Unterwasserwald. Es besitzt die Fähigkeit, Sauerstoff zu produzieren, täglich zwischen vierzehn und zwanzig Liter pro Quadratmeter, und es speichert Kohlendioxid. Doppelt so viel übrigens wie die gleiche Fläche tropischen Regenwalds. Seegraswiesen sind zudem ein wichtiger Lebensraum für Fische und andere Meerestiere. Und sie wirken der Erosion von Küsten entgegen.
»Eine vielseitig wirkende Wasserpflanze«, stellte Pierre fest.
Camille Audebert nickte nachdrücklich. »Aus diesem Grund steht sie bereits seit mehr als dreißig Jahren unter Schutz. Und trotzdem setzt sich die Politik immer wieder mit Ausnahmeregeln darüber hinweg. Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Sisyphusarbeit es ist, dagegen anzukämpfen.« Sie schüttelte den Kopf. »Seit der Gründung des Vereins Mitte der Siebzigerjahre ziehen ehrenamtliche Mitglieder in Versuchsplantagen Stecklinge und pflanzen sie geschützt von Gitterrahmen in den Meeresboden. Das ist ein aufwendiges Verfahren, das durchaus Erfolge zeigt. Aber das Gras wächst zu langsam, seine Wurzeln dehnen sich nur wenige Zentimeter pro Jahr aus. Und die Pflanzen, die man beim Bau der Waterline herausreißt, sind für immer verloren. Das ist en détail bei der Pipeline zwischen Cannes und der Île Sainte-Marguerite zu sehen, die in den Neunzigerjahren verlegt wurde. Ganze Seegrasfelder sind dort zugrunde gegangen und haben sich bis heute nicht erholt.«
Aus: Provenzalische Flut
(Anm.: Der Name Waterline ist fiktiv.)

Im Oktober 2022 legte ein Verein im Namen des Posidonia-Schutzes Rechtsmittel ein, weshalb sich die Erteilung der Baugenehmigung für das Projekt über Monate verzögerte. Sabotageakte wie in meinem Krimi gab es glücklicherweise keine. Die anhaltenden Proteste beförderten jedoch ein Umdenken: Die Betreiberfirma ist dazu übergegangen, die Pipeline mit Hilfe von Trassen und speziellen Verankerungen pflanzenschonend zu verlegen. Die Bauarbeiten sind inzwischen beendet, am 24. Mai wurde die Fertigstellung in einem Festakt gefeiert.
Ein weit größeres Problem, das ebenfalls in dem Krimi thematisiert wird, ist die hohe Zahl an Jachten, die vor Porquerolles ankert. In manchen Nächten liegen mehr als fünfhundert Boote vor der Insel, am Tag oft die vierfache Menge. Und kaum einer nimmt Rücksicht auf die Bodenkultur.
Die Auswirkungen der Ankerwürfe auf die Seegraswiesen ist enorm, dieser Film auf YouTube (besonders eindrücklich ab Minute 2:12) zeigt die entstehenden Schäden. Eingestellt wurde der Film von der Andromède Océanologie, einer Organisation, die sich für den Schutz empfindlicher Meeresökosysteme einsetzt.
In diesem Punkt hat es glücklicherweise einige Fortschritte gegeben. Zusätzlich zur verstärkten Einführung von Ankerverbotsplätzen in Gebieten mit Seegraswiesen hat man das Programm REPIC gestartet, das seit 2020 in den besonders stark betroffenen Bereichen Golfe Juan und Beaulieu-sur-Mer greift. Man testete dort die manuelle Wiedereinbringung der entrissenen Pflanzen in den Meeresboden mithilfe von speziellen Haken, die Taucher samt den Wurzeln zurück in den Boden stecken. Der Aufwand ist immens, aber die Überlebensrate ermutigend: Rund 80 Prozent der transplantierten Pflanzen sind nach zwei Jahren noch intakt.